Dienstag, 25. August 2015

Ein Wochenende in Rätikon

Hmm. was macht einer, wenn ein freies Wochenende vor der Tür steht und die Lust aufs Bouldern, Sportklettern oder andere Sportarten nicht wirklich da ist und die Mile mit Freundin zum Bouldern ins Silvapark gefahren ist!... Klar doch, er geht Alpinklettern.

Da ich mit Hannes schon lange eine Alpintour klettern wollte und er wirklich zu den wenigen Leuten aus Reutlingen gehört die sich im alpinen Gelände zu Hause fühlen, war der Kletterpartner schnell gefunden.

Und so fuhren wir am Freitag Nachmittag ins Rätikon, für mich Premiere! 

Nach ein paar Stunden Autofahrt, kamen wir nach Schiers und das Abenteuer begann, denn die Straße zum Parkplatz führte über eine endlos schmale und kurvige Straße. Ab Schuders fährt man eine 7km lange Schotterpiste die es in sich hat. Schmale Kurven, tiefe Schluchten und kurz vor dem Parkplatz kommt für jeden Stadtautofahrer der Schock. Diese steile löchrige Straße soll ich hoch? Naja, Augen zu und durch, 1. Gang, voll Gas, Reifen drehen durch, mit jedem Aufsetzer zuckten wir zusammen… Yes! geschafft! 



Bier auf! herrlich…

Am Abend liefen wir noch zur Wand hoch um uns mit der Wand vertraut zu machen und die Routenwahl zu treffen, Schnell waren wir uns einig und wir entschieden uns für die Klassiker, Intifada und Galadriel. Also zurück zum Parkplatz, denn der Hunger war groß.

Ich staune immer wieder, wie klein die Kletterwelt so ist, denn am Parkplatz fühlten wir uns wie zu Hause, nur bekannte Kletterfreunde die man schon oder über 5 weitere Ecken kennt.  TOP! …was haben wir gelacht!!! herrlich…

Tag 1. Intifada

Intifada, eine der schönsten Linien mit guter Felsqualität, homogener Kletterei und guter Absicherung im Rätikon und wenn man nach der Einstiegsplatte, die unter den Namen Kaltstart bekannt ist, in den Kletterfluss kommt, wird der Genuss an den weiteren Längen immer größer und man bekommt das Grinsen, nicht immer ein freundliches, nicht mehr von den Backen weg. …herrlich!!!




In der ersten Seillänge liegt die Herausforderung nicht zu überlegen sondern mutig und grifflos seine Hüfte über die großzügigen Tritte  zu balancieren. Eine schöne technische Plattenschleicherei, Zitternde Waden sind garantiert.
Da wir auf Überschlag kletterten, wurde uns in der 2ten Seillänge die auch  technisch anspruchsvoll war, klar, dass die nächsten 6 Seillängen ziemlich anstrengend werden. Umso mehr war die Freunde auf die nächste leichtere 3te Seillänge da, die uns aber mit einer nicht so guten, aber sinnvollen Absicherung zu kämpfen lies.  Kurz kräftige Züge und anschließend  eine schöne Risslänge.



Voller Vorfreude blickten wir der gelb-orangen Wand entgegen. Herrlich, Sagte der Hannes, den ab jetzt wurde die Wand steiler. herrlich!

Mit voller Kraft voraus kletterte ich an den kleinen Leisten die Steile Wand Meter für Meter hoch. Es lief super! Dann aber am letzten Haken vorbei, kurz vorm Stand, wurden die Wasser zerfressenen Strukturen kleiner und es wurde nochmal richtig schwer. Erst hab ich's übers links versucht, dann über rechts, nichts ging. Die Stelle war einfach schwer und ich wollte nicht stürtzen! Hannes schrie,  Matti geht scho! Also sammelte ich nochmal meinen ganzen Mut und versuchte die kleinen Leisten zu halten, hievte meinen Fuß hoch und blockierte mit rechts aufs Band hoch. Nur noch aufs Band hoch. Stand! Ich weiß nicht wie oft ich mir Wusa! Matt,i Wusa! gesagt habe. Puh!Geschafft! Stand! …war das eine Länge, Geilo! Auch Hannes konnte mit mobilisierten Kräften, pfeifend und souverän die Schlüsselstelle klettern. Geiler Bursche! 


 

Für mich eine der schwersten, aber schönsten Seillängen in Intifada.

Die 5. Seillänge groovte der Hannes, gefolgt von vielen „geht schon“ rufen, die klein griffig technisch anspruchsvolle Seillänge lässig vor.  Nach dem ich ihm das gleich tat, dachte ich mir, puh! eine Schöne Länge aber mal wieder nicht ohne. 




herrlich!

In der 6. Seillänge wartete auf uns ein völlig neuer Charakter der Route, ein Überhang der unterm Dach an guten griffen gequert werden musste. Die Länge verlangt viel Kraft und Mut, denn ich zweifelte die leider nassen Griffe halten zu können.  Hannes startete durch und wie erwartet konnte er den überhängenden Wandteil, trotz nassen Griffen durchsteigen. Wahnsinn! …Hut ab, halt ein Alpinist…abissl Wasser, was ist das schon!



Auch die vorletzte 7. Seillänge war leider im ersten Abschnitt nass und wir mussten sie technisch überklettern. Schade!  Aber ein Spaß und ein Seilchaos hatten wir definitiv. Nach der folgenden Querung war die Trauer über eine nicht ganz freie Begehung schnell verflogen…super schön, kleine Griffe, Reibungstritte, schöne Bewegungen. Einfach Top!

Die Finger waren durch, die Füße schmerzten und jetzt noch die letzte 8. Seillänge, eine Querung. Hippi! Der Hannes stellte sich der Herausforderung, irgendwie sind Quergänge nicht so Meins. Ich stieg nach und schnell wurde mir klar, dass egal ob man den Quergang vor- oder nachsteige, raus fliegen sollte man nicht. So überquerten wir an kleinen Griffen und Tritten erfolgreich die für uns letzte Seillänge des Tages.


 



 


Geschafft und Happy!! 



…jetzt nur noch Abseilen




Mann ist die Tour gigantisch…herrlich!

Müde und erschöpft gingen wir zum Auto zurück. Nach und nach kamen auch die  anderen zurück und nach ‘m Essen tranken wir ein Bier gemeinsam und ließen den Abend ausklingen und erzählten uns die wahnsinnigen Geschichten des Tages!



Tag 2. Galadriel

Früh nach’m Frühstück, mit vielen Tipps in der Tasche ging es dann an die Wand. Wir deponierten unsere Rucksäcke unten am Weg und gingen leicht bepackt über das Schuttgelände zur Wand hoch.



So es geht los…

Galadriel, einer der Klassiker mit langen gut abgesicherten Seillängen die nach oben hin immer schöner und steiler werden. Nur den Einstieg findet man nicht auf Anhieb. Wer vorm Schuh steht, steht falsch und vorm Einstieg zur Auerland.

Nach dem Wir den Einstieg gefunden hatten, legte Hannes vor. In der 1. Seillänge musste ein kleiner Überhang mit großen Griffen überwunden werden. Ich stieg ihm schnell nach. Die 2.Seillänge verlief über einen Pfeiler an kleinen Griffen und Reibungstritten weiter hoch und die 3. Seillänge, ist in Rätikon Marnie technisch anspruchsvoll.

In der Wand wurde es langsam ungemütlich, der Wind wurde stärker und die Regenwolken kamen immer näher. Die Wetterfee meint es mit uns nicht gut. Also flitzten wir die 3. und 4. Seillänge durch.

Ab jetzt wurden die Seillängen zunehmend  technisch anspruchsvoller und so freuten wir uns auf die vor uns genussreiche Plattenkletterei.




Es folgten 2 schöne Längen, auch diese mussten wir durchwegs klettern. Einfach herrlich!  Der raue, kompakte Fels, macht richtig spaß, nur so langsam hinterlies der Fels erkennbare Spuren in der Fingerhaut. Egal es geht weiter in die 7. Seillänge, ein steiler Riss, gefolgt von einem Quergang und einer Schlüsselpassage mit griffigen Griffen. Top, die Felsqualität.

Die 8.Seillänge, 45 Meter lange Plattekletterei, herrlich…  die Anfangszüge sind hart und gefolgt von einen dynamischen Zug in ein Henkelloch, geiler Zug. Weiter schiebt man sich an kleinen Leisten die kompakte Platte hoch. Immer wieder hat man einen guten Griff, doch zwingend muss man viele Züge, Schieber deutlich über den Haken klettern und zunehmend werden die Hakenabstände immer weiter.
Ich fühle mich fit und hab Spaß an der Bewegung. Ich klettere dem Stand entgegen, nur der ist nach unendlich vielen Zügen nicht zusehen. Stattdessen geht es weiter nach oben, die Wand wird steiler, dafür mit weniger Haken. Was für ein Psychospiel. Ich bin nach ca. 35 Meter an der Schlüsselstelle vor dem letzten Haken angekommen. Ich steh wacklig 3 Meter über dem letzten Haken, greif an eine Untergriffzange und versuche meinen Körper so zu positionieren, um den nächsten Haken klippen zu können, den hier zu stürzen kann richtig weh tun. Die nächsten Züge erschließen sich mir nicht gleich und so klettere ich die steile Wand  langsam weiter hoch. Haken geklippt. Auf dem letzten Meter zum Stand wird es nochmal eng, ich klettere an kleinen Seitgriffen weiter, dann noch ein Aufrichter am Sloper und schlechten Tritten. Stand. Sauber!...Was für ein Trip.

Der Hannes tat mir gleich und kletterte vorsichtig Meter für Meter in gewohnter Marnie hoch. Der Hannes Pfeift beim klettern...herrlich, die Seillänge

Die 9.Seillänge war eine 25 Meter lange Querung. Mein Glück, dass der Hannes dran war. Die Kraft schwindet dahin, die Finger schmerzen, die Waden brennen und er quert tapfer stehend auf kleinen Dellen, unter denen die Wand überhängend abbricht weiter. Bald verschwand er um die Ecke und ich bekam nichts von seinem erfolgreichen Kampf mehr mit. Stand!
Es war eine lange anspruchvolle Querung die bis zum Schluss ziemlich tief gequert werden musste, denn weiter oben in der Platte kamen viele heikle Züge, die schon manche Kletterer zur Verzweiflung und anschließendem Pendelsturz geführt hatte. Jungs, Danke für die Tipps.

Da ich mich in den Quergängen ziemlich schwer tue, nahm ich sogar den kalten Wind in Kauf und überlies  dem Hannes die vorletzte 10. Seillänge. Der Quergang war kurz, hart und zum Fürchten. Die folgenden 40 Meter waren dafür ein Genuss pur, steile Wandkletterei an guten Griffen.

Der Wind wurde kälter und es begann zu tröpfeln. Also stieg ich zügig in die letzte 11. Ausstiegslänge dem Gipfel entgegen. Es war eine schöne Länge die Wir überflogen und nicht genießen konnten, es wurde einfach zu ungemütlich.

Also schnell ein Gipfelbild und wir seilten auf der Rückseite ab. 





Noch ein Bild am Schweizertor und ab nach Hause.






Hannes, deine Meinung zum Wochenende?


...herrlich!
 
 

Matti